„DE OLDE MARKET“ - Warten auf Leben

Ausschnitt aus einer Karte von Rostock aus dem Jahr 1653 von Caspar Merian
Ausschnitt aus einer Karte von Rostock aus dem Jahr 1653 von Caspar Merian

In jedem Reiseführer steht unter Alter Markt: Er sei die Wiege der Stadt Rostock. Doch es hat den Anschein, dass dieser Platz verkümmert ist. Es ist hier so still wie auf einem Friedhof und es sieht aus wie bei einer Ausstellung eines Kleinpflasterhändlers auf dem sich, außer den Schülern in Ihrer Hofpause, kaum jemand rauf traut. Was sollen wir nur mit diesem großen Platz anfangen? Warum steht der Alte Markt die meiste Zeit des Jahres leer? Wie kommen wir zu diesem Platz? Was war dort los, was wird dort sein? Wie immer Fragen über Fragen, die ich mit dem folgenden Artikel versuchen werde zu beantworten.

Wie kam der Alte Markt zu seinem Namen? Da muss ich ganz weit in die Geschichte der Stadt Rostock zurück gehen. Viele unserer Einwohner wissen, dass Rostock im Jahre 1218 sein förmliches Stadtrecht vom Landesherren verliehen bekam! Doch eine frühstädtische Siedlung mit Namen Roztoc - ein slawischer Ausdruck für „Auseinanderfließen eines Flusses“ - wird schon Anfang des 12.Jahrhunderts in Schriften erwähnt. Dieser slawische Marktort existierte einige Jahrzehnte im Schatten und Schutz der Fürstenburg Rostock, von der aus die Herren des Landes in Rostock herrschten. Die Burg befand sich vor dem Petritor; auf der späteren Petribleiche am rechten Warnowufer. Der Burgherr, Fürst Nikolaus von Rostock, gewährte im Jahre 1189 den Handwerkern und Mönchen des Zisterzienserklosters Doberan Zollfreiheit auf „unserem Markt“. Damit ist die Existenz einer slawischen Marktsiedlung zu dieser Zeit anzunehmen. Allerdings konnte sich dieser Ort keineswegs an Glanz und Bedeutung mit den größten Frühstädten im elbslawischen Gebiet messen.
Zu dieser Zeit also beginnt die Geschichte unseres Alten Marktes. Anfangs hieß er noch „olde market“ – eine Bezeichnung sie sich wenig geändert hat, nur verständlicher ist sie geworden. Die Bezeichnung Markt lässt darauf schließen, dass hier der Handelsplatz der Siedlung und späteren Stadt Rostock war. Hier wurde eingekauft, geschwatzt und eben gehandelt. Um den markt siedelten sich die ersten Handwerksbetriebe an, um einen kurzen Weg zum Verkauf zu haben. Natürlich gab es auch ein Rathaus. Es stand an der Ostseite des Alten Marktes. Die meisten Gebäude, wie auch das Rathaus, waren nicht so prächtig wie die Kaufmannshäuser des Mittelalters. Damals waren die Häuser meist aus Holz oder Fachwerk mit Lehmausfachung. Viele Dächer waren mit Stroh, Holz oder Heu gedeckt, was eine erhöhte Brandgefahr zur Folge hatte. In den Chroniken wird immer wieder von Stadtbränden berichtet. Selbst die Petrikirche wurde zunächst aus Holz gebaut. Erst in der Hälfte des 14.Jahrhunderts wurde sie in Stein als dreischiffige Basilika im gotischen Stil errichtet. Ihr hoch aufragender Turm war bis 1942 und ist heute wieder ein bekanntes Wahrzeichen unserer Stadt.
So haben viele Straßen rund um den Alten Markt ihren Namen von den hier ansässigen Handwerkern, wie zum Beispiel auch die Lohgerberstraße und die Altschmiedestraße, erhalten. Beide geben an, dass hier einst sehr alte Handwerkszweige ihren „Sitz“ hatten. Bei den Lohgerbern handelt es sich um eine Gerbergilde, die mit Hilfe von Lohspänen (grobgemahlene, gerbstoffhaltige Baumrinde) Tierhäute gerbten. Im Gegensatz zu den Weißgerbern stellten sie gröberes Leder her. Die Zunft der Lohgerber stellte im 15. Jahrhundert sogar 20 bewaffnete Männer für die Stadtwehr.
Im ältesten Stadtbuch Rostocks von 1280 ist eine Straße mit Namen „strata fabrorum antique civitatis erwähnt, was als „Straße der Schmiede in der Altstadt“ übersetzt wird.
Demnach gingen bereits seit der Stadtgründung hier Schmiede ihrer Arbeit nach. Auch um den Alten Markt siedelten sich Schmiede an. Viele der älteren Bewohner werden sich noch an die Schmiede und den Stellmacher am Alten Markt erinnern. Noch bis in unsere Zeit hinein war das Eckhaus an der vom Alten Markt abführenden Diebsstraße eine Schmiede und Stellmacherei. Zu den Markttreibenden gehörten auch die Krämer nach denen die unweit des Alten Marktes liegende Straße benannt ist. Sie bildeten schon zur frühmittelalterlichen Zeit eines der wichtigsten Rostocker Ämter. Anfangs waren sie gegenüber den Kaufleuten Detaillisten und haben vermutlich vor allem Waren angeboten, die von auswärts bezogen wurden. Als Krämerwaren wurden derzeit u.a. Gewürze. Öle, Südfrüchte. Baumwolle, Strümpfe für Damen und Herren, Mützen, irische Laken, Zwillig (ein Drellgewebe), Pariser Borten, Haartuch, Nürnberger Messer, Dolche, Schlösser: Rosenkränze und andere Dinge feilgeboten.
Das Treiben auf dem Alten Markt war sehr ausgeprägt. Doch im Verlauf des 13. Jahrhunderts kamen mit der Mittel- und der Neustadt noch zwei neuere Stadtteile zur Altstadt hinzu. Die „Stadtteile“ waren eigenständige Städte mit Rathaus und Bürgermeister. Durch den fast nahtlosen Übergang entschloss man sich Ende des 13.Jahrhunderts, diese Städte (neu- und Mittelstadt) in die Stadt Rostock mit einzubeziehen. Fortan war der Mittelmarkt – heute Neuer Markt – mit dem dortigen Rathaus und der Marienkirche das Zentrum des mittelalterlichen Rostocks.
Der alte Markt diente ab diesem Zeitpunkt als Vieh- und Pferdemarkt. Dies wird nicht nur durch die Marktordnung belegt, auch einige Straßenbezeichnungen zeigen vom Handel mit toten oder lebenden Tieren. Der Name Pferdestraße (zwischen Hartestraße und Am Berg) ist darauf zurückzuführen, dass hier in der Nähe die Hufschmiede ihr Domizil hatten.
Auf etwas unangenehmere Art kam der Küterbruch zu seinem Namen (Küter = Viehschlächter). Die Küter handelten im Auftrag der Knochenhauer und hatten das Vieh zu schlachten und auszuweiden.

Altes Rostock-Panorama mit dem Alten Markt im Vordergrund
Altes Rostock-Panorama mit dem Alten Markt im Vordergrund

Nach einem Brand in der Altstadt baute man an der Stelle des altstädtischen Rathauses Wohnhäuser, jedoch nicht jene, die heute dort stehen. Diese sind neueren Datums. Die Wohnhäuser beherbergten meist in der unteren Etage einen Handwerksbetrieb.
An der Westseite des Alten Marktes entstand Ende des 19.Jahrhunderts eine Mädchenschule, welche bis zum 2.Weltkrieg als solche geführt wurde. Noch bis in die heutige Zeit fungiert das Gebäude als Schule, seit 2000 befindet sich das Sprachheilpädagogisches Förderzentrum Rostock in der „Schule am Alten Markt“. Einen ausführlichen Artikel darüber findet sich in der OSTPOST Ausgabe 2.
Da nach dem Krieg die Ostseite des Alten Marktes nicht wieder bebaut wurde, entstand dort der Schulgarten der Schule. Erst Ende der 80er Jahre des 20.Jahrhunderts wurden hier kleine Bürgerhäuser untersclıiedlicher Architektur errichtet.
Der 2.Weltkrieg setzte Rostock und dem Alten Markt schwer zu. Viele Gebäude rund um den Markt sind durch zahlreiche Bombennächte zerstört worden. Nicht nur fast die gesamte Ostseite, auch die Petrikirche wurde schwer getroffen. Das Wahrzeichen von Rostock, der Petriturm mit seinem Turmhelm wurde von Brandbomben zerstört. Nach Abkippen des Turmes in Richtung Am Berg wurde der Wetterhahn der Turmspitze in einem Haus gefunden. In den Zeiten des Sozialismus wurde es nicht geschafft, den Helm wieder zu errichten. doch seit November l994 kann man den Petriturm in seiner gesamten Größe wieder bewundern. Nun ist er wieder ein Wahrzeichen, wenn nicht sogar das Wahrzeichen der Stadt. aber „nur“ noch 117 Meter hoch.
Der Alte Markt diente nun der Schule als Pausenhof, Sport- und Bolzplatz, jedoch nur bei gutem Wetter, da es kein Straßenpflaster gab. Bei schlechten Wetter hieß es dann: Schlammschlacht. Nach vielen Jahren des Kampfes gegen „Windmühlen“ wurde der Platz im Rahmen der Gesamtumgestaltung des Straßenzuges um den Alten Markt mit einer Kleinstein-Granitpflasterung versehen. Diese Lösung, die dem Markt den Charme eines Appellplatzes verleiht, stößt vielerseits auf herbe Kritik. Gelungen ist die Trennung zum Schulhof durch den Brunnen, der eine imaginäre Wasserstraße darstellt, die an vielen Orten die Altstadt durchzogen hat. Jetzt wird zumindest in der Schulzeit der Markt intensiv genutzt.
Die Linden auf dem Alten Markt, die schon eine mächtige Größe erlangt haben, stehen noch nicht lange dort. Mit Sicherheit kann man sagen. dass zuvor Platanen gepflanzt wurden, diese jedoch einer Krankheit zum Opfer fielen, welche fast den gesamten Bestand dahinraffte.

Seit August 1997 erfreut das Altstadtfest Bewohner wie Besucher unserer Altstadt jährlich auch auf dem Alten Markt mit Musik, Tanz und Schaustellereien. Auch für das leibliche Wohl wird immer gesorgt. Doch wie ist man nun auf diese Idee gekommen? Bei meinen Recherchen konnte nicht mehr so ganz genau nachvollzogen werden, wer nun „schuld“ an dem Altstadtfest ist. Das Anliegen war, die Altstadt zu beleben und zu einem kulturellen Anziehungspunkt zu machen. Es gab vor 1997 Kulturveranstaltungen rund um die Nikolaikirche, die sehr gut angenommen wurden.

Diesen Erfolg wollte man aufgreifen und ein wiederkehrendes Fest auf die Beine stellen. Die Obhut für das erste Fest übernahmen der Förderverein Petrikirche Rostock e.V. und die Organisation die Rostocker Kongress- & Veranstaltungs-Service GmbH. Doch dieses Fest war so durchorganisiert wie viele andere Feste und es sollte doch ein besonderes Fest sein, das sich von anderen unterscheidet.

Ein anderer Organisator musste her, einer der in der Altstadt ansässig ist. Nur wer? Diese Fragestellung fiel in die Gründungszeit des Vereins zur Förderung der Östlichen Altstadt e.V. und was läge näher als die Organisation eines solchen Festes in die Hände dieses Vereins zu legen. Ziel war und ist es, die Altstadt und mit ihr den Alten Markt zu beleben und das Altstadtfest zu etwas besonderem zu machen. Es sollte mehr Bezug zur Altstadt und dem ehemals ansässigen Handwerk geknüpft werden. Die Ideen zu einem Handwerkermarkt und einem Gauklermarkt waren geboren. Zudem sollte die Nutzung des Alten Marktes wieder angekurbelt werden, was sich als schwieriger erwies als gedacht. Das Altstadtfest dauert nur drei Tage und es verbleiben noch 362 oder 363 Tage der Brache.

Aktuelle Ansicht des Alten Marktes der Hansestadt Rostock
Aktuelle Ansicht des Alten Marktes der Hansestadt Rostock

Der Versuch Konzerte auf dem Marktplatz aufzuführen wurde fast im Keim erstickt, durch Anwohner wie man munkelt. Ja da wird der Hund in der Pfanne verrückt, es wird sich beschwert über den riesigen Platz auf dem nichts passiert und wahrscheinlich die selbigen beschweren sich dann über den Krach. Sie wissen ja: „Musik wird oft als laut empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden“! Das war bei den bisherigen Altstadtfesten auch nicht anders. Man kann es nicht jedem recht machen. Doch das Altstadtfest wird immer beliebter und obwohl es oft von Sturm zerzaust und vom Regen weggespült wurde, brachte es Glanz in die Altstadt und findet seither jährlich statt.
Wie sie sehen gibt es viele Ideen zur Nutzung des Marktes. Einige sind schon umgesetzt und vielleicht werden noch andere Ideen einen „Fuß in die Tür“ kriegen wie z.B. ein monatlicher Flohmarkt oder ein Wochenmarkt. Bei der Neuanlage des Marktes sind solche Pläne berücksichtigt worden, denn Wasser- und Stromanschluss sind vorhanden und bestimmt waren diese zusätzlichen Arbeiten nicht billig.

Diese Zeilen schrieb unser OSTPOST-Redakteur Tom Pahlke für die OSTPOST Ausgabe 5 im Jahr 2001. Ergänzend möchten wir hier noch einige Sätze zur Entwicklung der letzten 10 Jahre hinzufügen. Die Hoffnung, den Alten Markt mit Leben zu füllen, war bisher vergebens. Außer dem Altstadtfest konnte sich keine weitere Nutzungsmöglichkeit dauerhaft etablieren, der Platz ist die meiste Zeit des Jahres kahl, verlassen und leer. Es ging sogar so weit, dass die für teures Geld im Rahmen der oben beschriebenen Gesamtumgestaltung angeschaffte Möblierung, u.a. hochwertige Rundbänke, ein Lithophon (klingende Steine), ein Wasserstrudel und rotierende Scheiben nach und nach unter fadenscheinigen Begründungen wieder verschwanden. Es gipfelte darin, dass 2006 auch der hochwertige und einzigartige Wasserlauf abgestellt wurde und so seit 4 Jahren trocken ist. Ein untragbarer Anblick für Anwohner und Touristen, wenn sie dort den ausgetrockneten Bach sehen.
Auch dieses trägt mit Sicherheit nicht zu einer Belebung des Alten Marktes bei.
Gemeinsam mit der „Schule am Alten Markt“ versucht der Verein zur Förderung der Östlichen Altstadt e.V. nun den Wasserlauf wieder aktivieren zu lassen. Einen kleinen Erfolg konnte man bereits feiern als 2009 im Rahmen des Altstadtfestes der Brunnen für drei Tage wieder lief. Der Verein hat die volle Unterstützung von Stefan Neubauer, dem Chef des auch für Brunnen zuständigen städtischen Grünamtes. Gut 5000 Euro kostet dieser Brunnen, wenn er eine Saison lang läuft. Wenn 40 Prozent dieser Summe aufgebracht werden können durch Sponsoren, dann schließt die Stadt einen Sponsorenvertrag und schaltet den Brunnen wieder an. Interessenten können Sie beim Verein melden, Informationen dazu finden sich auch hier auf den Internetseiten des Amts für Stadtgrün.

Damit schließt sich erst einmal wieder ein Kapitel der wechselvollen Geschichte von „de olde Market“. Wir sind gespannt, wann ein neues dazukommt und welchen Inhalt es hat.

Autor: Tom Pahlke (2001), bearbeitet und ergänzt von Sebastian Bielke im Februar 2010. Der ursprüngliche Text wurde abgedruckt in der OSTPOST Ausgabe 5.

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